Moderne Stellenanzeigen und was noch so an ihnen hängt.

Was ist eigentlich der Sinn einer Stellenanzeige? Sie soll dem geeigneten Kandidaten einen ersten Anstoß geben, eine Bewerbung an das werbende Unternehmen zu schicken. Es ist also zunächst einmal Werbung. Bei Werbung sprechen wir heute sehr viel von Authentizität, also warum sollten wir das nicht auch bei Stellenanzeigen so handhaben, bei denen es mittel- bis langfristig um das Leben von Individuen geht. Dass genau diese eine genaue Vorstellung vom künftigen Arbeitsplatz zu bekommen ist es am effektivsten, Stellenanzeigen so realitätsnah und aussagekräftig wie möglich darzustellen. Dabei geht es erst natürlich einmal um die verbale Darstellung von Unternehmenswerten, Vor- und Nachteilen der Firma und Benefits für und Erwartungen an Mitarbeiter – dazu gehören stilistische Mittel wie bspw. siezen vs. duzen in der Anzeige, Aufgaben, Ziele und Mission des Unternehmens sowie auch bestmöglich darzustellen welche „echten“ Aufgaben die Rolle für den künftigen Mitarbeiter beinhaltet. Und zwar die wirklichen Aufgaben, die die Person dann auch haben wird. Das mag ein wenig mehr Zeit kosten, da man keine Standardanzeigen mehr nutzen kann, aber es gibt einem Bewerber einen realitätsnaheren Einblick in die ausgeschriebene Position als ein standardmäßig vordefinierter Text das je tun kann. Menschen möchten unterscheiden können zwischen einer Rolle bei Unternehmen X und  der -oftmals doch so ähnlich klingenden- Rolle bei Unternehmen Y. Wenn es laut Beschreibung keinen offensichtlichen Unterschied zwischen der Recruiter-Rolle bei einem anderen Unternehmen zu meiner derzeit ausgeübten Tätigkeit gibt, warum sollte ich mich dann auf eine allgemein gehaltene Stellenanzeige bewerben? Wenn ich wirklich auf der Suche nach Veränderung bin, dann will ich schon wissen, welche genaue Veränderung das sein kann. Das heißt in der Umsetzung für Unternehmen also mehr Information als Forderung, mehr Angebot als Nachfrage. In uns ist irgendwo tief verankert, dass das Unternehmen zwingend die fordernde Partei sein darf und muss, was aber leider gerade auf einem Kandidatenmarkt nur bedingt zutrifft: liefere ich als Unternehmen genug, dann wird auch der Kandidat und potenzielle Mitarbeiter bereit sein seine gesamte Energie in das Unternehmen zu stecken.

In Zeiten in denen es immer schwieriger wird, Talente zu finden und zu binden helfen weniger fordernde Stellenanzeigen dabei, nicht nur eine bestimmte Kernzielgruppe anzusprechen, sondern auch alle Zielgruppen „drumherum“, die also an diese Kernzielgruppe nahe herankommen, beispielsweise einen Programmierer, der eine verwandte Programmiersprache beherrscht, die nah an die geforderte herankommt. Über Motivation und Lernbereitschaft ist eine solche Sprache von einem geeigneten Kandidaten schnell gelernt. Natürlich  sollten in der Anzeige schon gewisse Mindestanforderungen hinterlegt sein, die zwingend notwendig sind, sonst bräuchten wir keine Stellenanzeigen mehr und könnten nur noch Initiativbewerbungen entgegennehmen (auch das ist ein interessanter Ansatz, aber das kommt dann ein andermal ;)) – aber alles andere an Forderungen an den Kandidaten kann mit Worten wie „ist wünschenswert“ und „idealerweise“ oder „toll wäre es, wenn…“ möglichst weich formuliert werden. Ein Grund dafür ist z. B., dass gerade junge Frauen, die sich gerne mal unterschätzen  seltener auf Stellen bewerben von denen sie meinen, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Ich kann mich an einige Gespräche mit Rat suchenden Freundinnen erinnern in denen der Satz „aber das kann/hab/weiß ich doch gar nicht, die nehmen mich doch nie“ fiel. Und an Männer, die sich auf Jobs beworben haben, die überhaupt nicht ihrem Profil entsprachen und damit ihren Traumjob bekommen haben. Das ist natürlich wie immer nicht ganz zu verallgemeinern, aber der wichtige Punkt dabei ist, dass gerade talentierte Menschen sich oft einen „zu großen Kopf“ über ihre Bewerbung machen und selbstkritischer sind, als sie das oft sein müssten. Und das sind dann leider auch die, die man durch zu hohe, manchmal utopische Anforderungen im Vorfeld aussiebt, ohne sich je mit ihnen unterhalten zu haben. Deshalb: Mindestanforderungen in die Anzeige packen und dann direkt in den Dialog gehen.

Ein anderer interessantes Element, das zu einem zeitgemäßen Employer Branding und eben auch zur Stellenanzeige dazu gehören kann, ist eine Visualisierung des ausgeschriebenen Jobs, d.h. des potentiell künftigen Arbeitsplatzes, des Teams und der täglichen Aufgaben. Da kann es helfen einen Tag in der Woche im Team mit der GoPro zu filmen (lässt sich super mit Mitarbeiterbindung oder Teambuildings kombinieren) und das Team vorstellen zu lassen – und zwar ohne Gnade mit allen seinen Vorzügen und Macken, so dass es dann später keine bösen Überraschungen, sondern maximal ein „ah, das war damit gemeint“ gibt. Wir neuen Arbeitnehmer wollen keine Scheinwelt, wir wollen die Realität, denn wir leben in ihr und wenn wir uns für eine Firma entscheiden, dann verbringen wir mehr mit dieser Realität als mit unserem Tinder-Match. Das heißt: Authentizität, aber echte bitte, und nicht in Form von Zahnpasta-Image-Videos. Stellenanzeigen können  aber auch mit Instrumenten wie Persona arbeiten, z. B. mit der „kommunikativen Networkerin mit Gaming-Affinität (= Talent Sourcer)“ oder dem „Wirbelwind mit ansteckendem Lachen und neurotischer Genauigkeit (=Flugbegleiter)“, deren Eigenschaften und Anforderungen dann spielerisch verbildlicht werden. Dabei kann unter Umständen auch ein Steckbrief oder eine Kontaktadresse von realen Mitarbeitern hinterlegt sein, um Interessenten die Möglichkeit zu geben, schon einmal „reinzuschnuppern“ und sich vorab zu informieren.

Die Möglichkeiten für innovative Stellenanzeigen sind nach oben hin offen. Solange die Informationen übersichtlich bleiben und nicht zu viel „Schnickschnack“ das Wesentliche überdeckt, steht neuen Elementen in Stellenanzeigen eigentlich nichts im Wege. Dabei spielt die authentische, realitätstreue Beschreibung das A und O. Also weg mit den „Mindestens 5 Jahren Berufserfahrung im genannten Bereich“, „Flexibilität, Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen“.

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